Plötzlich besitze ich eine Waffe. Was sagt das Schweizer Recht dazu?
Ich habe kürzlich eine Schusswaffe geerbt, die ich behalten möchte. Wie muss ich vorgehen? Oder umgekehrt: Ich möchte die Waffe weggeben. Welche Möglichkeiten habe ich? Diese Frage ist derzeit besonders aktuell, weil am 15. August das revidierte Waffengesetz in Kraft getreten ist. Wie die Antworten lauten, ist wichtig, gerade in der Schweiz, wo über 3 Millionen Schusswaffen in Umlauf sein dürften. Nachfolgend eine Übersicht zur neuen Situation.
Am 19. Mai 2019 stimmten 63,7% der Schweizer Bevölkerung für die Teilrevision des Waffengesetzes. Die Änderungen sind geringfügig, je nach Waffenart müssen aber gewisse Formalitäten erledigt werden.
Die meisten Waffen von Privatpersonen in der Schweiz sind von der Gesetzesänderung nicht betroffen. Nichts geändert hat sich für Ordonnanzwaffen (d.h. Waffen aus dem Militär), für die auch künftig die Bestimmungen der Armee gelten.
Was sich konkret mit dem neuen Waffengesetz ändert
Mit der Gesetzesrevision wurde die schweizerische Gesetzgebung den europäischen Normen angepasst. Halbautomatische Schusswaffen fallen neu in eine andere Kategorie, für die eine Ausnahmebewilligung erforderlich ist. Dazu gehören folgende Waffen:
- Halbautomatische Handfeuerwaffenmit grossem Magazin (mehr als 10 Patronen)
- Halbautomatische Faustfeuerwaffen mit grossem Magazin (mehr als 20 Patronen)
- Halbautomatische Handfeuerwaffen mit Klapp- oder Teleskopschaft, deren Gesamtlänge ohne Funktionsverlust auf weniger als 60 cm verkürzt werden kann.
Wer eine solchenWaffe besitzt, muss nichts unternehmen, wenn diese bereits bei den zuständigen Stellen des Wohnkantons gemeldet ist. Die Liste der kantonalen Waffenbüros ist auf der Website der fedpol verfügbar.
Falls die Waffe nicht verzeichnet ist, muss der Besitz der Waffe innerhalb von 3 Jahren gemeldet werden. Diese Meldung ist kostenlos.
Im Zweifelsfall ist es am einfachsten, direkt beim kantonalen Waffenbüro nachzufragen, ob die Waffe bereits gemeldet ist oder nicht.
Waffenerwerbsscheine bleiben auch nach dem 15. August während 6 Monaten gültig. In diesem Zeitraum unterliegen sie nicht dem neuen Gesetz.
Für Sportschützen wird der Erwerb einer Waffe, die unter die neuen gesetzlichen Bestimmungen fällt, nicht wesentlich komplizierter. Es genügt, Mitglied eines Schiessvereins zu sein oder eine regelmässige Benutzung der Waffe zum sportlichen Schiessen nachzuweisen (mind. 5 Schiessen in 5 Jahren).
Dieser Nachweis ist 5 und 10 Jahre nach dem Erwerb einer solchen Waffe zu erbringen und erfolgt beim kantonalen Waffenbüro mit einem Formular, dem Dienstbüchlein oder dem militärischen Leistungsausweis.
Auch das Sportschiessen für Anfänger und Jungschützen wird durch das Gesetz nicht erschwert. In dieser Hinsicht ändert sich nichts: Personen, die mit dem Schiessen beginnen möchten, können sich bei Schiessständen in Ihrer Nähe informieren. Jungschützen unterstehen wie bisher dem Militärrecht.
Die Gesetzesrevision bezweckt vor allem eine bessere Rückverfolgbarkeit von Waffen und deren Bestandteilen. Sammler und Museen sind davon vielleicht am stärksten davon betroffen.
Diese Personen und Einrichtungen können weiterhin von der Gesetzesänderung betroffene Waffen erwerben. Sie müssen jedoch nachweisen, dass sie die Waffen sicher aufbewahren und ausstellen. Zudem müssen sie ein Verzeichnis der verschiedenen Waffen führen. Sammler oder Museen, die nicht gemeldete, von der Gesetzesrevision betroffene Waffen besitzen, müssen das kantonale Waffenbüro informieren.
Falls Sie selber keine Waffen besitzen, ist Ihnen vielleicht nicht alles ganz klar geworden, was im obigen Text angesprochen wurde. Deshalb werden wir im Folgenden nicht nur die Neuerungen des künftigen Gesetzes vorstellen, sondern auch die bestehenden. Zudem zeigen wir auf, wie Sie konkret vorgehen müssen, wenn Sie Waffen erben.
Das Waffengesetz ganz einfach erklärt
Für die Zivilbevölkerung in der Schweiz ist der rechtliche Rahmen zum Waffenbesitz durch zwei Gesetzestexte abgesteckt: durch das gerade revidierte Bundesgesetz über Waffen, Waffenzubehör und Munition (WG) und die Verordnung über Waffen, Waffenzubehör und Munition(WV). Innerhalb dieses Rahmens erlassen die zuständigen kantonalen Waffenbüros weitere Regelungen über Waffen.
Doch was gilt aus Sicht des Gesetzes überhaupt als Waffe und in welche Kategorien werden diese eingeteilt? Nachfolgend eine Übersicht:
- Feuerwaffen (Pistolen und Revolver, Flinten, halbautomatische Waffen)
- Druckluft- und CO2-Waffen
- Imitations-, Schreckschuss- und Soft-Air-Waffen
- Messer von mehr als 12 cm und einer Klingenlänge von mehr als 5 cm (Schmetterlingsmesser, Wurfmesser, Messer mit automatischem Auslösemechanismus)
- Dolche mit symmetrischer Klinge von weniger als 30 cm
- Geräte, die dazu bestimmt sind, Menschen zu verletzen (Schlagstock, Wurfstern, Schlagring, Schleudern usw.)
- Elektroschockgeräte und Sprays (zum Beispiel Sprayprodukte mit Reizstoffen, ausser Pfeffersprays)
Für Antike Waffen (vor 1870 hergestellte Feuerwaffen, vor 1900 hergestellte Hieb- und Stichwaffen u.ä.) gelten Spezialbestimmungen, ausser beim Tragen und beim Transport der Waffen.
Wer darf in der Schweiz eine Waffe besitzen?
In der Schweiz darf jede Person eine Waffe erwerben, die folgende Kriterien erfüllt:
- Volljährig
- Keine umfassende Beistandschaft und keine Vertretung durch eine vorsorgebeauftragte Person
- Gewährleistung eines sicheren Gebrauchs der Waffe für sich selber und andere
- Keine Einträge im Strafregister wegen gewalttätiger oder gemeingefährlicher Handlung oder wegen wiederholt begangener Verbrechen/Vergehen
Minderjährige, die das Sportschiessen ausüben, dürfen bei Erfüllung der letzten drei Kriterien eine Waffe ausleihen. Ihre gesetzliche Vertretung muss schriftlich ihre Zustimmung erteilen.
Ausländische Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Schweiz, die eine Waffe erwerben wollen, müssen über einen Waffenerwerbsschein und eine amtliche Waffenbesitzerlaubnis ihres Herkunftslandes verfügen. Für Personen mit C-Bewilligung gilt diese Bestimmung nicht.
Waffenerwerb durch ausländische Staatsangehörige in der Schweiz
Staatsangehörige gewisser Länder können grundsätzlich keine Waffen erwerben. Dies gilt für Personen aus folgenden Ländern: Albanien, Algerien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Serbien, Sri Lanka, Türkei.
Dies wird vom Bund damit erklärt, dass es sich um Konfliktgebiete handelt und dass in der Schweiz Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit diesen Konflikten stattgefunden haben oder stattfinden könnten. Ausserdem seien Schusswaffen aus der Schweiz illegal in diese Länder gebracht worden.
Wer Waffen definitiv oder vorübergehend (Transit) einführt oder ausführt, muss Formulare und Bescheinigungen ausfüllen. Diese Formalitäten sind unterschiedlich komplex, je nach Land (Schengen oder nicht), Waffenart und Transportgrund (Umzug, Schiesswettbewerb oder Jagd).
Die verschiedenen Waffenarten
Das Vorgehen zum Erwerb einer Schusswaffe ist je nach Art der Waffe unterschiedlich. Drei Arten werden unterschieden:
- Meldepflichtige Waffen
Kaninchentöter, Schreckschusswaffen, einschüssige Jagdgewehre
- Bewilligungspflichtige Waffen
Pistolen, Revolver, Vorderschaftrepetierer, halbautomatische Gewehre und Karabiner mit kleiner Magazinkapazität
- Verbotene Waffen, für die eine Ausnahmebewilligung erforderlich ist
Automatische Faustfeuerwaffen, schwere Maschinengewehre, halbautomatische Waffen mit grossen Magazinkapazitäten (mehr als 10 Schüsse für Gewehre und Karabiner, mehr als 20 Schüsse für Pistolen) und halbautomatische Handfeuerwaffen mit Klapp- oder Teleskopschaft, Hilfsgeräte für Schusswaffen (Laser- oder Nachtsichtzielgeräte, Granatwerfer).
Wie ist das konkrete Vorgehen bei den verschiedenen Waffen?
Wenn Sie eine meldepflichtige Waffe (in einem Geschäft oder von einer Privatperson) erwerben möchten, muss ein Vertrag unterzeichnet werden. Dieser enthält Angaben zum Veräusserer (d.h. der Person, welche die Waffe verkauft), zur erwerbenden Person und zur Waffe selbst.
Eine Vertragsvorlage ist auf der Website des Bundesamtes für Polizei (fedpol) zu finden.
Da die Kantone für den Gesetzesvollzug zuständig sind, muss innerhalb von 30 Tagen nach dem Erwerb eine Kopie des Vertrages beim zuständigen Waffenbüro eingereicht werden. Gegebenenfalls ist dem Dokument ein Strafregisterauszug des Erwerbers beizufügen.
Bewilligungspflichtige Waffen können mit einem Waffenerwerbsschein erworben werden. Dieser wird bei den kantonalen Stellen mit einem Gesuchsformular eingeholt und muss vor dem Erwerb einer Waffe erteilt werden.
Für verbotene Waffen ist eine Ausnahmebewilligung erforderlich. Das Gesuchsformular ist an das kantonale Waffenbüro zu richten. Zudem müssen Sie schriftlich begründen, weshalb Sie eine verbotene Waffe erwerben möchten. Diese Ausnahmebewilligungen werden Sportschützen, Sammlern und Museen erteilt.
Wie bei bewilligungspflichtigen Waffen muss die Bewilligung vor dem Erwerb der verbotenen Waffe eingeholt werden.
Die Liste der verschiedenen kantonalen Waffenbüros finden Sie auf der Website der fedpol.
Weitere wichtige Punkte des Waffengesetzes
Auch nach dem Erwerb einer Waffe gelten bestimmte Einschränkungen und Vorschriften:
- Wer an öffentlich zugänglichen Orten eine Waffe trägt, benötigt zwingend eine Waffentragbewilligung. Die Person muss nachweisen, dass sie die Waffe zum Selbstschutz oder zum Schutz einer anderen Person benötigt. Zusätzlich muss sie eine theoretische und praktische Prüfung ablegen.
- Keine Waffentragbewilligung ist erforderlich für den Transport der Waffe zu Schiessveranstaltungen, auf dem Weg zu oder von einer Militärkaserne, einem Zeughaus, einem Schiessstand, einem Waffengeschäft, einer Waffen-Veranstaltung oder beim Umzug an einen neuen Wohnort. Waffe und Munition müssen getrennt sein.
- Es ist verboten, im öffentlichen Raum ausserhalb von Schiessplätzen oder Schiessveranstaltungen zu schiessen.
- Gewisse Munitionen(Hartkern-, Explosiv- oder Brandsatzgeschosse) sind verboten.
- Waffen müssen sorgfältig aufbewahrt werden und vor dem Zugriff Dritter geschützt sein.
Nach diesen Erklärungen wenden wir uns nun der Frage zu, wie bei Waffen vorzugehen ist, die geerbt werden.
Erben einer Waffe in der Schweiz
Juristisch gesehen gilt das Erben einer Waffe als Erwerb einer Waffe. Deshalb ist auch das Vorgehen gleich. Die bereits erklärten Bestimmungen kommen somit auch beim Erben von Waffen zur Anwendung.
Wenn Sie die geerbte Waffe behalten wollen
Falls mehrere Erben vorhanden sind, verlangt die kantonale Behörde von der Person, welche die Waffe behalten will, eine von den Miterben unterzeichnete Bestätigung, dass diese auf ihren Anspruch verzichten. Falls der Nachlass mehrere Waffen beinhaltet, ist ein Verzeichnis zu erstellen.
Wenn diese Fragen geregelt sind, muss die Person, welche die Waffe erbt, für das weitere Vorgehen abklären, in welche Kategorie die Waffe gehört. Natürlich ist es nicht möglich, bei meldepflichtigen Waffen einen Vertrag mit der verstorbenen Person abzuschliessen. Deshalb reicht es, wenn die geerbte Waffe dem kantonalen Waffenbüro gemeldet wird. Konkret bedeutet dies:
Meldepflichtig = Meldung beim kantonalen Waffenbüro
Bewilligungspflichtig = Gesuch für Waffenerwerbsschein
Verbotene Waffe = kantonale Ausnahmebewilligung
Zusätzlich gelten dieselben Anforderungen wie bei den anderen beiden Waffenkategorien. So kann zum Beispiel eine Person, die unter umfassender Beistandschaft steht, keine Waffen erben. Ausländische Staatsangehörige (ohne C-Bewilligung) müssen eine amtliche Bestätigung ihres Heimatstaates vorlegen, und Personen zum Beispiel aus Sri Lanka können keine Waffen erben.
Wie bereits erwähnt sind Waffenbesitzer gesetzlich verpflichtet, die Waffen sorfältig aufzubewahren. Diese dürfen für Dritte nicht zugänglich sein, sondern nur für die Person, die im Besitz der Waffen ist. Dieser Hinweis ist besonders wichtig, wenn wir davon ausgehen, dass Erben möglicherweise nie zuvor im Besitz einer Waffe waren. Falls die Erben Kinder haben, müssen diese dafür sensibilisiert werden, dass in ihrer Umgebung neu eine Waffe vorhanden ist.
Dadurch lässt sich das Unfallrisiko reduzieren.
Bei Waffen aus einem Nachlass haben die Erben 6 Monate Zeit, die notwendigen Schritte bei der kantonalen Behörde vorzunehmen.
Wenn Sie Waffen erben und diese nicht behalten wollen
Falls die Erben die geerbten Waffen nicht behalten möchten, können sie diese innerhalb der Frist von 6 Monaten verkaufen oder verschenken. Natürlich müssen sie sicherstellen, dass die Person, an die sie die Waffe veräussern (d.h. der sie die Waffer verkaufen oder den Besitz übertragen) befugt ist, eine Waffe zu erwerben.
Falls der Verkauf oder die Schenkung einer Waffe erst nach dieser 6-monatigen Frist erfolgt, müssen die Erben zuerst die gesetzlich vorgeschriebenen Formalitäten für sich selber erledigen, bevor sie die Waffe veräussern.
Es ist auch möglich, eine beliebige Waffe bei der Kantonspolizei abzugeben. Diese vernichtet die Waffe oder gibt interessante Stücke an Museen weiter.
Falls eine Waffe bei der verstorbenen Person erst nach der Frist von 6 Monaten entdeckt wird und die Erben nichts davon wussten, muss sie den kantonalen Behörden gemeldet werden. Gemäss der Sendung On en parle des Westschweizer Radios RTS haben Erben aus juristischer Sicht nicht viel zu befürchten, da die kantonalen Behörden vor allem froh sind, wenn keine nicht gemeldeten Waffen in Umlauf sind.
[CHECKLISTE]: Nachlass einer Waffe planen
Zur Vermeidung solcher Überraschungen können Personen, die Waffen besitzen, gewisse Massnahmen treffen:
- Informieren Sie das Umfeld, dass Sie Waffen besitzen.
- Führen Sie ein aktuelles Verzeichnis und bewahren Sie dieses mit anderen wichtigen Dokumenten auf (Testament, Patientenverfügung usw.).
- Überlegen Sie, wem Sie die Waffe vermachen möchten.
- Informieren Sie diese Person darüber.
- Stellen sie sicher, dass dieses Erbe für die Person nicht eine Belastung ist.
- Erklären Sie ihr die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen (Gebrauch, Aufbewahrung).
- Erklären sie dieser Person, welche Formalitäten sie von Gesetzes wegen erledigen muss.
- Falls Ihre Nachkommen die Waffen nicht übernehmen möchten, überlegen Sie sich, wem sie diese vermachen wollen.
- Verkauf oder Schenkung an Privatperson / Museum / Sammler
- Die Waffen zur Polizei bringen
Weitere Informationen: Waffen und die Schweiz
Waffen und die Schweiz, das ist eine Liebesgeschichte. Je nach Schätzung sollen in unserem Land derzeit 2,5 bis 3,4 MIllionen Waffen in Umlauf sein. Die Schweiz liegt damit bei der Anzahl Waffen pro Kopf weltweit mindestens auf Rang 18 oder – mit dem höheren Wert – sogar auf Rang 3. Dieses Erbgebnis ist für ein neutrales Land überraschend und zweifellos mit der Milizarmee zu erklären, die seit dem 18. Jahrhundert existiert. In diesem System müssen alle jungen Männer Dienst leisten, weshalb die Schweizer Armee im Vergleich zu Landesgrösse traditionell gross ist.
Zudem sind alle diese «Bürgersoldaten» bewaffnet, und sie müssen auch ausserhalb des Militärs Schiessübungen absolvieren. Sie nehmen deshalb ihre Waffe nach dem Militärdienst nach Hause und bewahren sie dort auf.
Das ist der Hauptgrund, weshalb in der Schweiz so viele Waffen in Umlauf sind.
«Die Schweiz hat nicht eine Armee, sie ist eine Armee. »
Dieses Sprichwort bleibt im kollektiven Bewusstsein verankert, und doch hat sich die Beziehung der «Eidgenossen» zum Militärdienst im Laufe der Zeit verändert. Seit dem Ende des Kalten Kriegs ist eine «starke» Armee in den Augen der Bevölkerung weniger wichtig geworden.
Einige Jahre später, 2003, hiess das Volk die Reform Armee XXI gut,mit der die Armee mehr als halbiert wurde. Gleichzeitig entscheiden immer mehr Soldaten, ihre Waffe im Zeughaus zu lassen, statt sie mit nach Hause zu nehmen. 2017 zum Beispiel war dies der Fall bei 90% der Militärdienstleistenden. Doch auch abgesehen vom Militär spielen Waffen in der Schweiz eine Rolle.
Historische Verbindung zu Waffen
Im Zusammenhang mit Waffen sind verschiedene Traditionen tief verankert, wie Jagd oder Sportschiessen, das im 19. Jahrhundert populär wurde. Heute wird das sportliche Schiessen als Hobby von über 130’000 Mitgliedern in Schiessvereinen betrieben. Neben dem Eidgenössischen Schützenfest gehören dazu weitere Anlässe wie das «Knabenschiessen» in Zürich oder das Grand tir des abbayes im Kanton Waadt.
Dieser Brauch der Schiessveranstaltungen wurde zwar kurz nach dem Aufbau der Milizarmee populär, er existiert nun aber auch unabhängig vom militärischen Rahmen.
Der Kriminologe Martin Killias fasste im Übrigen das Profil der bewaffneten Personen in der Schweiz in der Westschweizer Zeitung Le Temps treffend zusammen: «Die überwiegende Mehrheit der bewaffneten Personen in der Schweiz sind Militärdienstleistende, stehen sonst in Verbindung mit der Armee oder sind Sportschützen oder Jäger. »
Waffen in der Schweiz und Waffen in den USA
Beim Thema Waffen wird die Schweiz häufig mit den USA verglichen, dem am stärksten bewaffneten Land der Welt.
In beiden Ländern sind zwar viele Waffen im Umlauf, doch in den USA gibt es proportional gesehen wesentlich mehr Schusswaffentote als in der Schweiz. Der Amoklauf in Zug hat die Schweiz geprägt, es war jedoch in den letzten Jahren die einzige Massenschiesserei in der Schweiz.
Jedes Jahr ereignen sich in der Schweiz etwas mehr als 200 Todesfälle durch Waffen, rund 90% davon sind Suizide.
Im gleichen Zeitraum starben in den USA mehrere Zehntausend Personen durch Feuerwaffen in Massenschiessereien oder bei anderen Unfällen. Allein 2015 registrierte das Nationale Amt für Gesundheitsstatistik (CDC) 36 252 Schusswaffentote. Im gleichen Jahr starben in der Schweiz «nur» 231 Personen durch Schusswaffen.
Diese extremen Zahlen veranlassten die Satire-Sendung Daily Show, eine Reportage über Waffen in der Schweiz zu drehen.
Anderswo auf der Welt
Doch in der Liste der Länder mit den meisten Schusswaffen pro Kopf fallen nicht nur die Schweiz und die USA mit hohen Zahlen auf.
Die Rangliste variiert zwar je nach Schätzungen, Jemen kommt jedoch regelmässig aufs Podest. Der seit 2014 wütende Bürgerkrieg erklärt die hohe Rate von 54,8 Schusswaffen pro 100 Personen.
Auch die skandinavischen Länder (Finnland, Schweden, Norwegen und Island) sind vertreten. Die grosszügigen Gesetze und die Jagdtradition erklären, weshalb dort zwischen 45 und 30 Waffen pro 100 Zivilpersonen zu finden sind.
In Serbien beträgt dieser Wert 37 Waffen pro 100 Personen. Seit den Kriegen in den 90er-Jahren sind noch Millionen von Waffen im Umlauf, und das Land gilt als Drehscheibe des internationalen Waffenhandels nach Westeuropa.
Auch Zypern gehört mit 36,4 Feuerwaffen auf 100 Personen zu den am stärksten bewaffneten Ländern. Die genauen Gründe dafür sind schwierig zu bestimmen, eine Rolle spielt aber vermutlich die Jagd und die Tatsache, dass Reservisten und Armeeveteranen ihre Waffe zu Hause aufbewahren können.
Ein Rezept zur Vermeidung von Schusswaffentoten
Eine genauere Betrachtung der einzelnen Länder der Rangliste zeigt, dass die Zahl der Schusswaffentoten relativ niedrig ist, ausser in den USA – oder in den Ländern mit aktuellen Konflikten und Spannungen (z.B. Irak und Jemen).
Gemäss der Website GunPolicy, die sich mit internationaler Waffenpolitik befasst, haben alle diese Länder mit niedrigeren Werten ein restriktives Waffengesetz. Im Gegensatz zu den USA ist es in diesen Länder nicht einfach, eine Waffe zu erwerben. Nicht einmal zum eigenen Schutz.
Zwar spielen auch sozioökonomische Faktoren eine Rolle, wenn es um Schusswaffentote geht, die Gesetzgebung zur Waffenregulierung ist jedoch ein Schlüsselelement zur Waffenkontrolle.
Vermutlich stehen sich auch aus diesem Grund bei jeder Abstimmung über Waffen in der Schweiz zwei Lager gegenüber.
PROTELL, die Vertretung der Waffenlobby der Schweiz
Auf der einen Seite steht PROTELL, eine Vereinigung, die «überparteilich die Interessen aller waffenbesitzenden und waffentragenden Bürgerinnen und Bürger wahrt.» PROTELL ist sehr liberal und wehrt sich systematisch gegen Einschränkungen des Waffenbesitzes.
PROTELL – und die Leute, die sich in der Schweiz für Waffen einsetzen – sind nicht zwingend politisiert oder Mitglied einer Partei. Weil sie aber nur minimale staatliche Eingriffe in Sachen Waffen wollen und eher konservative Werte vertreten (Verwendung des Symbols Wilhelm Tell, Kriegs- und Sicherheitsrhetorik), sind sie auf der politischen Skala eher rechts einzuordnen. Bei den Wahlen stammen die durch PROTELL unterstützten Kandidierenden zudem häufig von rechten Parteien (SVP und FDP), und auch der Präsident der Organisation, Jean-Luc Addor, ist Mitglied der SVP.
Für die Anhänger von Waffen in der Schweiz sind diese Ausdruck von Souveränität und nationalen Traditionen.
Dieses Ideal wurde im Übrigen auch in der Kampagne für die Abstimmung vom 19. Mai 2019 propagiert. Die Waffenbefürworter, die gegen die Vorlage waren, sprachen zum Beispiel von einem EU-Diktat. Ihre Website hiess denn auch «EU-Diktat-nein».
Die GSoA oder die Antiwaffen-Lobby
Auf der anderen Seite steht die GSoA (Gruppe für eine Schweiz ohne Armee), welche die Waffengegner in der Schweiz vertritt. Gegründet wurde die GSoA mit dem Ziel, eine Volksinitiative zur Abschaffung der Armee zu lancieren, sie definiert sich aber auch als «Anti-Waffenlobby».
Die GSoA ist eine pazifistische Gruppe, die sich der Logik der inneren Sicherheit widersetzt und die Schweiz und ihre Bevölkerung schrittweise entwaffnen möchte.
Die GSoA unterstützte die letzte Revision des Waffengesetzes. Für die Gruppe ging der Text, auch wenn er nicht sehr restriktiv war, in die richtige Richtung: «Faktisch können die Personen, die Waffen besitzen, diese behalten, gleichzeitig profitiert die Allgemeinheit von mehr Sicherheit vor Waffengewalt.»
Die GSoA ist dem linken politischen Spektrum zuzuordnen. Die Gruppe ruft zum Kampf für den politischen Fortschritt auf und nennt als Beispiele die Abschaffung der Sklaverei und die Einführung des Frauenstimmrechts.
Welche Zukunft haben Waffen in der Schweiz?
Zum aktuellen Zeitpunkt, in dem die Welt eine ökologische Wende anstrebt und sich die Gesellschaft grundlegend verändern dürfte, sind künftige politische Trends schwierig vorauszusehen. Denn selbst progressive Bewegungen können als Reaktion auch das Wiederaufleben konservativer Werte auslösen.
In der Schweiz, wo die SVP stärkste politische Partei bleibt und die Bevölkerung ihren Traditionen weiterhin verbunden ist, dürften Waffen nicht so bald verboten werden. Doch die Trendwende könnte von der Armee ausgehen.
Läutet der Abbau der Armee das Ende der Waffen ein?
In den letzten Jahren, seit dem erleichterten Zugang zum Zivildienst, hat die Armee an Rückhalt verloren. Immer weniger junge Schweizer wollen Militärdienst leisten. Als Reaktion darauf hat der Bundesrat entschieden, den Zivildienst weniger attraktiv zu machen. Eine Strategie, die gewisse Beobachter perplex macht. Zudem könnte gegen die Massnahmen der Regierung ein Referendum lanciert werden.
Der Traum der GSoA – eine waffenlose Schweiz – scheint zwar utopisch (sämtliche Initiativen in diesem Sinne scheiterten klar), hingegen ist es durchaus möglich, dass die Armee aufgrund fehlender Attraktivität zu wenig Dienstwillige finden wird.
Deshalb ist es mittel- oder langfristig denkbar, dass der Bestand der Armee weiter reduziert und professionalisiert wird. Ohne Milizsoldaten dürften dann auch weniger Waffen in Umlauf sein, da der Waffenbesitz in der Schweiz wie bereits erwähnt stark ans Militär gebunden ist. Denn: «Die überwiegende Mehrheit der bewaffneten Personen in der Schweiz sind Militärdienstleistende oder stehen sonst in Verbindung mit der Armee (...)»
Falls diese Annahme richtig ist, wird sich dies frühestens in ein paar Jahrzehnten zeigen.